Seenotfall mit der SY EVA auf dem Atlantik
Ein Bericht von Marianne
Wie die meisten von Euch ja wissen, ist Manfred ein begeisterter Segler, der die Welt in
der Zeit von 2001 – 2007 mit seinem eigenen Schiff White Witch umsegelt hat. Nach dem Verkauf des Segelbootes widmete er sich wieder mit Hingabe dem Golfspiel, konnte aber das Segeln doch noch nicht ganz
lassen und segelte deshalb u.a. als Crewmember auf der SY Ultima noch einmal um die halbe Welt. Sollte aber danach doch schon Schluss sein mit der Segelei? Nein, denn Mitte letzten Jahres nahm er das Angebot seines Freundes Eduard an, dessen erst 3 Jahre alte Segelyacht EVA, eine Hunter 45 (15m lang), von St. Augustin/Florida, über den Atlantik nach Griechenland zu segeln - eine willkommene neue Herausforderung.
Da der Eigner nicht mitsegeln
konnte, sprang sein erfahrener Freund Heinz ein, der schon viele Meilen mit Manfred und auch auf eigenem Kiel gesegelt ist. Die beiden flogen Mitte April nach St. Augustin, um das ihnen unbekannte Schiff für diesen
neuen Törn vorzubereiten, wobei ihnen der hierfür extra eingeflogene Eigner bestens half. Am 24. April 2011 startete die SY Eva in Richtung Azoren – ihrem geplanten ersten Stopp nach
2700 Seemeilen. Aber schon nach 4 Tagen und gesegelten 1000 Meilen fielen der für so lange Reisen unbedingt nötige Autopilot, sowie das GPS-System aus. Manfred und Heinz brachen erstmal die Reise ab und
fuhren 310 Meilen zurück nach New York Harbour, dem nächstgelegenen Nothafen, um dort in der Atlantic Highlands Marina alles reparieren zu lassen. Dazu mussten die beiden drei
Tage und drei Nächte per Hand Ruder gehen, jede Stunde wurde abgewechselt – eine gewaltige Anstrengung unter höchster Konzentration, begleitet von Stürmen, hohen Wellen,
viel Regen und der bitteren Kälte des Nordatlantiks! Schon bei diesem Vorfall hatte ich die Seenotrettung (MRCC) in Bremen informieren
müssen, da ich außer einem kurzen Anruf von Manfred über das Iridium-Satellitentelefon nichts mehr gehört hatte, ich auch nicht wusste, ob meine aus dem Internet herausgesuchten
Positionsangaben von div. Marinas im Raum New York Harbour auf dem Schiff angekommen waren, die die Segler ja dringend brauchten. Bremen informierte mit allen
schnell zusammengestellten Infos über das Schiff und die Mannschaft die amerikanische Coast Guard, die starteten einen Rundruf und so wurde die Segelyacht von einem Schiff auch
gefunden und über UKW-Funk angesprochen, ob sie Hilfe brauchen. Da sie aber inzwischen schon ca. 6 Stunden vor New York Harbour waren und auch die Positionsangaben der
nächstgelegenen Marina „Atlantic Highlands“ hatten, kamen sie, am Schluss unter Motor, dort gut an. Nun gingen die großen Reparaturen an, alles verlief bestens und nach einigen
Tagen startete die „Eva“ am 8. Mai wieder mit Ziel Faial/Azoren.
Nun sollte man ja meinen, ein Unglück reicht, aber es sollte noch viel schlimmer kommen:
Zwei Tage segelte EVA bei schlechten, aber trotzdem nicht beängstigenden Wetterbedingungen. Am Abend des zweiten Tages wurden die Segel zur Nacht auf ein
Minimum gerefft. Damit konnte EVA bei den 6-7 Windstärken raumschots mit 5-6 Knoten gut segeln, ohne das Schiff zu sehr belasten.
Und dann der Schock:
Um 07.30 Uhr am frühen Morgen des 10. Mai muss das Schiff vermutlich von einer Monster-
oder auch Riesenwelle getroffen worden sein.
Zum Glück waren beide Segler unter Deck. Heinz hatte Freiwache und schlief in der Achterkoje. Manfred hatte die Frühwache von
5-8 Uhr, war gerade vom Cockpit in den Salon gestiegen und machte am Navigationstisch Eintragungen in das Logbuch, als diese eine Welle das Schiff vollkommen überraschend mit ihrer gigantischen Kraft und
infernalischem Lärm traf und es kieloben tauchte. EVA richtete sich zwar zum Glück nach einigen Sekunden wieder auf. Doch durch den Druck der gewaltigen
Wassermassen brach der Mast. Dabei wurde der Maststumpf aus seinem Fundament gehoben und drang mit unglaublichem Lärm - alles zerstörend - in das Deckshaus ein. Tonnenweise
drang Wasser durch die zerstörten Fenster, Luken und Wunden des stark zerstörten Deckshauses in das Schiff ein. Durch den Kopfstand wurde alles im Schiff umher - von unten nach oben und zurück -
gekehrt. Nichts blieb an seinem Platz. Bodenbretter, der riesige Salontisch, Computer, Drucker, Geschirr, die Inhalte der Kühlschränke, Lebensmittel, Bücher: alles flog durch die
Gegend und mittendrin Manfred. Er wurde bei seinen Flügen durch den Salon offensichtlich von einigen Gegenständen hart getroffen und fand sich, kurzzeitig bewusstlos, auf den umher
geschleuderten, durchnässten Matratzen liegend wieder, die auf dem Boden im Salon gelandet waren.
Im Cockpit wurde auch alles zerstört. Sprayhood, Bimini-Top, Brückendeck, Cockpittisch und Navigationsdisplay waren weg
gerissen und teilweise über Bord gespült worden. Es sah fürchterlich aus. „So ähnlich muss es nach einem Tsunami aussehen, von dem wir 2004 in Phuket ja verschont geblieben waren“, sagte Manfred.
Zum Glück hielt er sich während des Unglücks nicht im Cockpit auf, denn dann wäre er bestimmt auch mit über Bord gerissen worden! Sein Schutzengel hat gute Arbeit geleistet!! Durch die Zerstörungen
wurde auch der Cockpitboden aufgerissen. Massenweise drang Wasser in die Kabine von Heinz ein. Dort wachte der, völlig überrascht, in Salzwasser untergetaucht auf, wusste gar
nicht, was passiert war und dachte zu Tode erschrocken „Nun hat mein letztes Stündlein geschlagen“. Glücklicherweise hat er den Tauchgang unverletzt überlebt.
Als er in den Salon kam, fand er den vor Schmerz schreienden Manfred vor, der bewegungslos und total durchnässt am Salonboden lag. Auf den ersten Blick waren schwere
Verletzungen, Brüche oder gar eine Lähmung zu befürchten.
Als erstes kümmerte sich Heinz erst einmal um Manfred, räumte dann ein bisschen den
chaotisch aussehenden Salon auf und etwas später, als Manfred es schaffte, sich vorsichtig zu bewegen, begutachteten beide entsetzt den entstandenen Schaden:
Der gebrochene Mastteil hing mit Vorstag und Großbaum backbord im Meer. Mit jeder
Welle polterte er gegen den Rumpf und drohte jeden Moment ein Leck in ihn zu schlagen. Der Maststumpf zermalmte mit jeder Welle mehr und mehr das Deckshaus. Die elektrischen Geräte sowie die Bilgenpumpe
funktionierten alle nicht mehr, da die Batterien teilweise unter Wasser standen. Mit jeder Welle drangen hunderte Liter Wasser in das Schiff.
Von fünf GPS-Geräten hatte eines überlebt, dazu das UKW-Funk-Handgerät und das
Satellitentelefon, welches zum Glück in seiner Aufhängung trocken geblieben war. Damit konnte Manfred wenigstens kommunizieren.
Die arme EVA war nicht mehr manövrierfähig und Manfreds Verletzungen nicht konkret zu
diagnostizieren.
Deshalb beschloss Manfred um 10.00 Uhr den internationalen Notruf Mayday (SOS)
zunächst per UKW und danach über das Satellitentelefon abzusetzen.
Zu dieser Zeit trieb EVA auf der Position 39°20.16’N und 068°58.266’W, ca. 300 Meilen
östlich New York und 150 Meilen südlich Cape Cod.
Er rief dann den Eigner in Deutschland an, der sofort den Notruf an die Seenotrettungsstelle
in Bremen (MRCC) weitergab. MRCC-Bremen koordinierte nun alle notwendigen Maßnahmen, alarmierte die für diese Position zuständige amerikanische Küstenwache und
stand dann mit mir und mit Eduard, dem Eigner in ständigem Kontakt. Manfred konnte in der Wartephase, im herumtreibenden Schiff, sogar mit mir telefonieren – und wir beruhigten und trösteten uns gegenseitig!
Um 15.30 Uhr erhielten wir dann endlich die erlösende Nachricht aus Bremen, dass ein
Flugzeug der Coast Guard die EVA gesichtet und Kontakt aufgenommen hatte. Kurze Zeit später, gegen 16.10 Uhr, traf dann der Rettungs-Hubschrauber der Coast Guard ein. Wind
und Wellen hatten noch zugelegt, die Sicht war durch den vom Golfstrom aufsteigenden Nebel sehr begrenzt. Unter diesen erschwerten Umständen wurde Officer Randy Rice,
Rettungsschwimmer und Chef der Rettungsmannschaft, zum Schiff herabgelassen und kam an Bord der EVA. Mit seiner Hilfe wurden beide Segler in einem gefährlichen, aber sicher
durchgeführten Manöver an einem Seil mit einem Rettungskorb an Bord des Helikopters gehievt.
Manfred erlitt dabei noch einmal große Schmerzen, da er – wie er es selbst ausdrückte –
„zusammengefaltet“ werden musste, um in den Korb zu passen. Die wichtigsten Dinge, wie Reisepässe, Schiffspapiere hatte er zusammengepackt, während Heinz leider seine
Brieftasche nicht mehr fand, die wahrscheinlich, wie noch viele andere Dinge, irgendwo herum schwamm oder über Bord gespült worden war.
Manfred hatte doch noch trockene Sachen in einem Koffer gefunden, so dass er wenigstens
unter seinem Segelanzug angezogen war, während der arme Heinz nur noch nasse Sachen hatte und deshalb außer einer nassen Unterhose unter dem Segelanzug nackt war.
Ihr schwer zerstörtes, manövrierunfähiges Schiff mussten sie leider unbemannt treibend auf dem Atlantik zurücklassen - eine schwere
Entscheidung für Skipper Manfred und Heinz.
Zwei lange Stunden dauerte der Rückflug nach Cape Cod zur Zentrale der Coast Guard. Die
Retter haben sich in vorbildlicher und fürsorglicher Weise um die beiden gekümmert. Dafür sei ihnen ewiger Dank gesagt.
Die Coast Guard-Ambulance fuhr die beiden stark unterkühlten Segler in das Falmouth-Hospital, wo sie sofort
bestens versorgt wurden. Heinz bekam trockene Sachen und Manfred wurde gründlich untersucht.
Gottseidank war nichts gebrochen, keine Lähmung oder Verletzungen am
Rückgrat festzustellen, nur alles schlimm gestaucht und geprellt. Beide siedelten danach in ein Hotel um und versuchten erst einmal alles zu „verdauen“.
Dass gleich danach ein Ansturm von Presse und Fernsehen auf die beiden losging,
erleichterte Manfred und Heinz ganz offensichtlich das Verkraften aller Ereignisse, denn beim immer wiederholenden Erzählen konnten sie das fürchterliche Erlebnis zu „verarbeiten“ beginnen.
Drei Tage später traten sie den Rückflug von Boston über Dublin nach München bzw. Wien
an – sehnsüchtig von allen erwartet.
Da treibt sie und es tut weh, ist ein Schiff für einen Segler doch wie eine Geliebte. Muss man sie verlassen,
denkt man an die schönen Stunden mit ihr und will sie am liebsten wieder zurück.
Es gab mehrere Interviews, TV-Beiträge wurden gefilmt und im
lokalen TV gesendet. Zwei Artikel sind ganz interessant und können über die nachfolgenden Links aufgerufen werden:
http://www.thebostonchannel.com/news/27865296/detail.html
http://m.merkur-online.de/lokales/fuerstenfeldbruck/segler-oberbayern-riesenwelle-erfasst
-1262197.html
sowie last not least ein Bericht von Marianne in der Homepage von Bobby Schenk unter
http://www.bobbyschenk.de/
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